Dienstag, 23. Juli 2013

Thüringer Waldziegen - eine robuste, schützenswerte Rasse


Hier nun ein paar Bilder aus dem vergangenen Jahr.
Aber Vorsicht - die Idylle täuscht.








Ein Kitz wurde von der Mutter nicht angenommen. Das soll ja mitunter schon mal vorkommen, dass es uns bereits beim zweiten Wurf widerfährt war jedoch schockierend. Vor allem aber die Art wie dies geschah: Die Ziege ging mit den Hörnern auf das wenige Stunden alte Kitz los und schleuderte es durch den Stall. Die nächsten Tage wurden anstrengend, wir mussten beim Weidegang immer dabei sein und das Kleine behüten und per Flasche füttern. Zum Schlafen bekam es einen gesicherten Platz.
Auch untereinander sind die Tiere aggressiv. Normale „strenge“ Hierarchie, könnte man sagen. Bereits im ersten Frühjahr (März 2010) mussten wir das erste Opfer beklagen. Beim morgendlichen Füttern sahen wir, wie eine der anderen Ziegen mit den Hörnern kräftig im Heu vor der Stallwand (außen) herumschlägt. Beim Näherkommen wurde klar, dass im Heu eine Ziege liegt. Der Tierarzt konnte nur noch einschläfern. Nun war die nächste in der Rangfolge dran, von den beiden anderen schikaniert zu werden. Sie wurde vom Futter weggeprügelt, auf der Weide herumgescheucht. Keine Freude, dabei zuzusehen.
Und dieser gegenseitige Hass wurde auch gegenüber den fremden Kitzen ausgelebt. Der erste Versuch, nach 3 Wochen getrennter Haltung der beiden Mütter (die dritte Ziege hat nach dem dritten Decken noch kein einziges Mal aufgenommen – Impotent oder Zwitter, das aggressivste Tier im Stall), ging gründlich schief. In hohem Bogen flogen die Kitze, die Mütter jagten den fremden Kitzen nach, versuchten aber gleichzeitig nicht, ihre eigenen zu schützen. Also weitere 4 Wochen getrennte Haltung, bis die Kitze groß und schnell genug waren.
Nach zwei Wochen geglücktem (und wieder streng bewachter – man merkt, diese Ziegen kosten viel Zeit...) Weidegang dann der nächste Schock, ein schreiendes Kitz liegt unter der schützenden Einschalung des Apfelbaums. Wir befreien es. Stellen es neben die Mutter, das Tier bricht sofort wieder zusammen. Wir tragen es ins Haus, benachrichtigen den Tierarzt und vereinbaren einen Termin. Fünfzehn Minuten später ist das Kitz tot. Recht wahrscheinlich innere Verletzungen, wir konnten kurz vorher sehen, wie die rangniedrigste Ziege im Affenzahn in die Kitzgruppe raste, dachten aber, alles wäre gut gegangen.
Seitdem stehen die Ziegen den ganzen Tag im Stall, in einzelnen Boxen. Am Abend gibt es beaufsichtigten Freigang. Der Traum von der idyllischen Herde war endgültig geplatzt.

Und woran liegt das? Sind wir schlechte Halter? Wohl eher nicht, denn mit den Milchschafen gibt es keine Probleme. Es wird zwar geboxt, um die Hierarchie aufrecht zu halten, dies aber nur ein bis zweimal am Tag. Beim Fressen sind es die friedlichsten Genossen, fressen Kopf an Kopf am gleichen Grasbüschel oder aus der Schale mit Getreide (Bei den Ziegen mussten wir schon immer separat Kraftfutter geben, da bei gemeinsamer Fütterung zuerst immer versucht wurde, die anderen Ziegen am Fressen zu hindern, es wurde gerauft und dabei alles Getreide verschüttet).
Zu wenig Platz? Wohl auch nicht, die Stall- und Außenfläche reicht bei normalem Besatz zehn Tiere.
Die Ursache ist ziemlich sicher in den Genen zu finden. Ende der 1980er Jahre gab es nur noch 120 Tiere und zwei Bocklinien. Es wurden zwar Toggenburger eingekreuzt, um den Genpool zu erhöhen, doch genetische Vielfalt sieht anders aus. Dies führt zu extremer Anfälligkeit gegenüber Parasiten. Man ist ständig am Entwurmen. Dass es in anderen Betrieben friedlicher zugeht, kann hier seine Ursache haben: die chemischen Mittel gehen aufs Gehirn, lassen die Tiere lethargisch werden. Setzt man auf natürliche Mittel, fällt dieses Beruhigungsmittel weg.
Als Züchter sollte man bei so begrenztem Genpool sehr vorsichtig vorgehen. Oberste Priorität muss auf Gesundheit und Verträglichkeit gelegt werden, äußere Merkmale sollten niedrigste Priorität haben. Bei Kühen ist es schon lange üblich, Tiere auszusondern, die beim Weidegang leicht verwurmen. Bei Schafen macht man das seit kurzem auch. Die Ziegenhalter vertrauen wohl einfach auf ihre „robusten Tiere“ (robuste Rasse ist ein beliebter Begriff für Ziegenrassen, Thüringer Wald Ziegen sollen auch dazu gehören).
Und genau hier ging bei unseren Tieren einiges schief. Bei den Thüringer Wald Ziegen gibt es Variationen in der Farbe. Hellbraun bis dunkelbraun aber auch schwarze Tiere, wobei letztere eher selten sind. Dazu gibt es welche mit Glöckchen und welche ohne, die mit Glöckchen sind noch rarer gestreut als die mit schwarzem Fell. Da ist es für den findigen Hobbyzüchter natürlich interessant, sich als Zuchtziel „schwarz mit Glöckchen“ zu setzen. Denn solche Tiere sind logischerweise am rarsten, man schafft sich seinen Markt. Und sie hat es tatsächlich geschafft, ein überdurchschnittlich großer Teil ihre Herde ist schwarz mit Glöckchen.
Dass sie ihre Böcke in mit Eisenstangen gesicherten Boxen halten muss interessiert sie nicht. Dass man die Böcke nicht mit der Herde auf die Weide lassen kann (weil sie die nicht bockigen Ziegen übelst schlagen) auch nicht. Dass – wie sie es umgedeutet hat – morgens manchmal tote Kitze im Stall liegen, weil sich die „unvorsichtige“ Mutter wohl draufgelegt hat (eine Lüge, wie wir mittlerweile wissen), ebensowenig. Hauptsache schwarz mit Glöckchen, hauptsache Marktlücke.
Und nicht dass jetzt jemand meint „der Herr Trischberger hätte sich beraten lassen sollen“ - genau das ist passiert. Da in den Büchern zur Ziegenhaltung immer schön alle Rassen aufgeführt wurden, mit all ihren guten Eigenschaften (und alle sind „robust“, was auch immer das heißen soll), haben wir bei der Ziegenzüchtervereinigung Rat geholt. Die Chefin selbst hat natürlich IHRE Thüringer in höchsten Tönen gelobt. Und da wir sowieso ein Herz für bedrohte Tierarten haben, waren wir schlussendlich auch davon überzeugt. Und sie verwies uns dann an die (fatale?) Adresse.

Deshalb hier mein Rat:
Traue keinem Hobbyzüchter, vor allem dann, wenn er nur auf äußere Merkmale züchten will.
Lass die Hände von seltenen Rassen. Am besten nimmt man für den Anfang eine „Bauernziege“, also einen bunten Mischling. Die sind meistens robust und die Milchleistung stimmt auch (bei uns lag die Höchstleistung bei 2 Litern am Tag (versprochen waren 4-5!), das konnte auch nicht mit Kraftfutter gesteigert werden). Und billiger sind sie auch. Da sich Inzucht meist nicht positiv auf die Robustheit auswirkt, sind die Tiere anfällig gegenüber Parasiten und verursachen hohe Tierarztkosten. Das schlägt sich im Kaufpreis der Tiere nieder – 250 € pro Ziege waren es, für ungekörte Böcke waren 100€ fällig.

Am besten kauft man beim Profi mit einer großen Herde. Dessen Einkommen hängt von seinen Tieren ab. Er kann es sich nicht leisten, dass er Jahr für Jahr Ausfälle durch Morde in seiner Herde hat. Er muss schauen, dass die Tiere wirklich „robust“ sind, also keine hohen Tierarztrechnungen verursachen. Unsere beiden Milchschafe stammen aus so einem Betrieb, bisher gab es keine Probleme. Die Tiere sind gesund, friedlich, machen nichts kaputt. Für die Ziegen braucht man stabile und hohe Pfosten. Normale 6cm-Fichtenpfosten werden umgehauen. Der Zaun muss 150cm hoch sein, die Pfosten also 220cm hoch. Am Ende sind wir bei Akazie gelandet. 9 Euro pro Pfahl, ein wahnsinniger Aufwand, die zu stecken. Bei den Schafen reicht ein Zaun mit 1m Höhe (selbst im Winter!), die Pfähle sind dünne Fichten-Kanthölzer – ca. 1€ das Stück. Drei Weiden waren an einem Tag gesteckt (die Arbeit auf vier kühle Abende verteilt).

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