Mittwoch, 6. Juli 2016

Neuntöter


Neuntöter-Männchen...

... und sein geliebtes Weibchen
Bei uns im Garten nistet zur Zeit ein Neuntöter-Pärchen. Darüber sind wir sehr glücklich. Der Neuntöter ist auf eine Heckenlandschaft angewiesen und dort vor allem auf Dornbüsche wie Schlehen. Selbige habe ich gleich nach Erwerb des Grundstücks neben Weißdorn, Lonicera, Haselnuss, Holunder, Berberitze, Heckenrose und anderem gepflanzt.
Inzwischen ist die Schlehe ein über mannshoher Busch geworden und letztes Jahr haben wir bereits aufgespießte Käfer als Vorrat an der Schlehe gesehen. Der Neuntöter jagt ja Käfer und sammelt sie als Vorrat auf Dornenhecken. Er braucht die Dornen auch, um die großen Käferarten, die er fängt, schnell und unbürokratisch zu töten, des weiteren nutzt er sie, um die Nahrung für den Verzehr zu präparieren. In den Anfangsjahren hatten wir sehr viel Ärger mit Käfern. Vor allem der Gartenlaubkäfer hat die jungen Haselsträucher kahl gefressen, ein junger zarter Kirschbaum wurde zum unrettbaren Opfer dieser Tiere.
Damals wünschte ich mir sehnlichst den Neuntöter als Brutvogel, wusste ich doch, dass er der Käfer-Spezialist ist. Und nun ist er da, häufig sehe ich ihn mit einem dicken Käfer im Schnabel.
Und die Gartenlaufkäfer bereiten seit letztem Jahr keine Probleme mehr. Vielleicht ist es Zufall, aber so ein Neuntöter hat auch ziemlichen Appetit.
Lange Zeit erschien es aussichtslos, dass ein Neuntöter mal bei uns auftauchen könnte. Er ist selten geworden und steht auf der roten Liste mancher Länder. Und die nähere und weitere Nachbarschaft um unser Haus ist für Neuntöter denkbar ungeeignet. Die intensive Landwirtschaft hat ihm den Garaus gemacht. Andauerndes mähen, Nutzung eines jeden auch noch so kleinen Streifens, das Fehlen von ordentlichem Gebüsch aber auch der Einsatz von Pestiziden, die den Insektenbefall der „wertvollen“ Kulturen zu unterbinden...
Das Biotop, in dem sie sich scheinbar wohl fühlen. Hier steht (von rechts): Alter Birnbaum, Himbeerschlag, Linde, Brombeere "Theodor Reimers", dahinter eine kleine Mispel und zwei junge Walnuss-Bäume. Ganz links noch ein paar Büsche Kriecherl und Haselnüsse.

Bei uns hat keiner Schlehen, Weißdorn oder auch nur einen großen, alten Heckenrosenbusch auf dem Feld stehen, es gibt nicht mal mehr einen Stacheldraht, auf dem der Neuntöter seine Käfer aufspießen könnte! Kurz um, die moderne, flurbereinigte Landschaft ist in ihrer Sterilität ein einziges Fiasko.
Manches ist aber auch nur der blanken Ignoranz zu verdanken. Eine Fichtenhecke, eine Birken- Buchenreihe bringt halt nicht die erforderliche ökologische Vielfalt. Anderes stünde dort besser.
Bei uns ist eine kleine Ödfläche entstanden. In einem Gestrüpp samt Totholzhaufen sitzt öfter das Weibchen auf der Suche nach Nahrung. Ein morscher, alter Baum blieb stehen, ein zweiter blieb liegen. Auf einem Areal von etwa 100m2 durften sich Himbeeren prächtig und ungehemmt ausbreiten. Die Brombeersorte Theodor Reimers mit ihren kräftigen Stacheln wuchert prächtig. Wir vermuten das Nest entweder in den Brombeeren oder (wahrscheinlicher) den Himbeeren in der Nähe des Totholzhaufens. Aber sicher sind wir uns noch nicht. Die Eltern sind gewieft und verstehen es hervorragend, zu täuschen. Wir lassen sie möglichst in Ruhe, beobachten aus der Ferne vom Balkon aus. Wenn die Jungen flügge geworden sind, was vermutlich in einer Woche der Fall sein wird, werden wir versuchen, den Standort des dann aufgegebenen Nestes zu erkunden. Neuntöter nisten meist in undurchdringlichem Buschwerk in einer Höhe von ein bis drei Metern. Einstweilen tänzeln sie zwischen Mispelbaum, dem jungen Lindenbaum, Kriecherlhecke, Walnußbaum, Birnbaum, Himbeeren und Brombeerstrauch hin und her. Sie lieben diesen Flecken Erde mit seinem Buschwerk und vielen Insekten.
Spätestens im September werden sie wohl bereits ihr Winterquartier in Südafrika bezogen haben. Der Sommer mit ihnen ist kurz. Sie sind prächtige, gewitzte Tiere. Ihnen mit dem Feldstecher aus der Ferne zuzusehen macht unendlich viel Freude. Hoffentlich kommen sie nächstes Jahr wieder, denn sie sind nicht nur herrlich anzusehen, sie sind einfach ein unverzichtbar wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems. Wir brauchen sie.

Brombeere "Theodor Reimers" mit ihren langen, stachelbewehrten Ruten. Davor ein paar Brennesseln, in der sich einige Raupen des Tagpfauenauges tummeln, die auch auf dem Speiseplan des Neuntöters stehen.

Sträucher vermehren ist so einfach! Auf ein paar Quadratmetern kann man viel erreichen. Im Bild sieht man junge Schlehen (links) und Wildrosen, funktioniert aber genauso leicht mit Berberitzen, Kriecherl und Weißdorn. Einfach die Früchte ernten, wenn sie reif sind (erkennt man leicht am Farbumschlag bzw. Weichwerden), in einen Kübel Wasser geben, kneten bis sich die Kerne herauslösen. Alles für 1-2 Tage stehen lassen, bis sich leichter Gärgeruch verbreitet. Nochmal gut durchrühren, dann vorsichtig das Wasser abgiesen, denn die reifen Samen sinken zu Boden. Diese Samen nochmal mit klarem Wasser in einem Sieb nachspülen und direkt ins Beet einsähen, die Reihen gut sichtbar mit z.B. kleinen Stöcken an den Enden markieren. Im nächsten Frühjahr keimen sie dann (beim Unkraut jäten aufpassen - lieber etwas Unkraut stehen lassen), im Herbst kann man die Jungpflanzen bereits auspflanzen.